Yannic Han Biao Federer »Für immer seh ich dich wieder«
Eine neue Veranstaltungsreihe von Zebras.Collective im Kulturzentrum Merlin, das literarische “Klangwelten” aufmacht.
Autor:innen mit Migrationsbiografie lesen nicht nur aus ihren eigenen Werken, sondern präsentieren auch ihr Lieblingslied, dessen Lyrics nicht auf Deutsch oder Englisch sind. Diese werden übersetzt und wie “Untertitel” projiziert, während das Lied gemeinsam angehört wird. Anschließend erfahren wir die persönliche Geschichte der Autor*innen dazu.
2016 ging der Nobelpreis für Literatur an Bob Dylan. Damit wurde es offiziell: Songtexte sind literarische Werke. Zwar getragen von Musik, aber laut der Nobelpreis-Akademie eine “poetische Ausdrucksform”. Doch gerade die englische Sprache scheint vor allem in der Popmusik das Alphabet zu sein, in dem getextet und gesungen werden muss, um möglichst viele Menschen zu erreichen.
Die Lesung und das Listening werden mit einem moderierten Talk begleitet. Bei unserem dritten »Another Alphabet Playlist« Abend werden wir Yannic Han Biao Federer als Gast haben, der uns sein Buch »Für immer seh ich dich wieder« und seinen persönlichen Lieblingssong präsentieren wird.
Moderation: Duc-Thi Bui (Drehbuchautor)
Yannic Han Biao Federer, aufgewachsen als Sohn eines chinesischen Indonesiers und einer Deutschen in Südbaden, lebt und arbeitet als freier Autor in Köln. Er schreibt Romane und Erzählungen, Essays und Rezensionen, u. a. für Deutschlandfunk, WDR und SWR.
Er ist Mitglied des PEN Berlin sowie des Jungen Kollegs in der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste. Er erhielt zahlreiche Preise und Stipendien, zuletzt den Bayern 2-Wortspiele-Literaturpreis und den Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen 2022.
Sein Debüt-Roman »Und alles wie aus Pappmaché« erschien 2019 und erzählt von vier jungen Menschen bei ihrer Suche nach Zugehörigkeit, nach Orientierung in einer immer disparater und brüchiger werdenden Welt. Danach folgte »Tao«, ein Roman über eine Spurensuche entlang biographischer Brüche und historischer Verwerfungen, in der deutschen Provinz wie im zerrissenen Hongkong von heute. In »Für immer seh ich dich wieder« erzählt er präzise und eindringlich vom Verlust seines Sohnes, von Abschied und Carearbeit, von Elternschaft und Liebe. Das Buch ist ein Dokument der Trauer – und der heilenden Kraft des Erzählens.
Buchzitat:
»Helles Licht bricht durch die Fenster, wärmt das Zimmer auf, dass ich den Pullover ausziehe, im T-Shirt umhergehe, ich weiß, es ist nur Wetter, aber glauben muss ich, es ist mein Sohn. Schau mal, sage ich, der Gusti schickt uns Morgensonne. – Ja, sagt Charlotte, blickt auf, lächelt. Ja, er tröstet uns. Genau, sage ich, er hat ein Auge auf uns.«
Vor und nach der Veranstaltung werden Mayha Suaysom und Duc-Thi Bui vom ZEBRAS Collective für euch weitere Songs mit Lyrics auflegen, die nicht auf Englisch oder Deutsch sind, während alle Anwesenden dazu eingeladen sind, mit einem oder mehreren Songs die »Another Alphabet Playlist« mitzugestalten. Dafür bedienen sich beide an den über 100 Millionen Songs eines Music-Streaming-Dienstes, von denen der automatische Algorithmus uns merkwürdigerweise immer nur die gleichen Songs vorschlägt. – »Let’s merge our music bubbles! It’s time to beat the computer-generated algorithm! Together as humans!«
Eine Veranstaltung von ZEBRAS Collective und Kulturzentrum Merlin, gefördert von der Stadt Stuttgart
Das ZEBRAS Collective:
»Du bist nur ein Zebra, wenn du schwarze und weiße Streifen hast!« – Ist das so? Als Menschen mit Migrationsbiografie fühlen wir uns manchmal als “weiße Zebras”. Als Wesen ohne spezifische Erscheinung, weil wir unsere individuellen Züge verstecken müssen, um der Norm zu entsprechen. – Nicht aufzufallen heißt oft auch, einfach stumm zu bleiben. Gerade wenn Deutsch nicht die Erstsprache ist. Dann ist selbst die Kommunikation zwischen Familiengenerationen von Missverständnissen und Sprachlosigkeit geprägt. Zum Beispiel können Eltern ihren Kindern ihre Erwartungen nicht formulieren, und umgekehrt.
Das ZEBRAS Collective möchte interkulturelle Brücken bauen und sich dabei an Sprachen bedienen, die nicht nur einem einzigen Alphabet entsprechen und leicht zugänglich sind. Wir sind der Überzeugung, dass alle künstlerischen Sparten als Ziel die zwischenmenschliche Kommunikation haben. Dazu gehören z.B. das Zeichnen von Illustrationen, das filmische Erzählen und noch vieles mehr. Im Grunde alles, wenn wir uns als eine gerechte und offene Gesellschaft betrachten. Gerade für Menschen, für die Deutsch nicht die Erstsprache ist, kann Musik in ihrer universellen Wirkung so etwas wie eine “barrierefreie Maßnahme” sein.
Aufgrund unserer eigenen Migrationsgeschichte wollen wir mit unserer Arbeit speziell südostasiatisch gelesene Menschen ansprechen, da in Stuttgart ein Kulturangebot für diese Community noch nicht ausreichend existiert und diese dadurch oft unsichtbar bleibt. Aber das ZEBRAS Collective versteht sich auch als ein inklusiver Raum, der sich nach allen Seiten öffnet. Denn wir verstehen Gesellschaft als ein Miteinander… von vielfältigen Zebras.
Künstlerische Leitung: Mayha Suaysom & Duc-Thi Bui
Projektmanagement: Silinee Damsa-Ard